Mittwoch, 9. Dezember 2009

Verschwörung im Zeichen des Kreuzes



Das Buch „Verschwörung im Zeichen des Kreuzes” von Egmont R. Koch und Oliver Schröm, das sich mit dem Orden der Ritter vom Heiligen Grabes zu Jerusalem beschäftigt, einem weiteren wichtigen katholischen Orden, ist ein weiteres Fundstück mit einigen bemerkenswerten Passagen. Sie verweisen zum einen auf die Scheinheiligkeit des Vatikans, was das Einschreiten gegen Unrecht während und nach dem Zweiten Weltkrieg anbelangt. Zum anderen gibt es einen Hinweis auf das seit den Kreuzzügen bestehende „zionistische” Begehren des Vatikans, die heiligen Stätten Jerusalems und Palästinas in seinen Besitz zu bekommen.

Franz von Papen, der mittlerweile als Botschafter in Wien die Annexion Österreichs vorbereitete, wurde für seine Verdienste um den päpstlichen Laienorden zum Großkreuzritter befördert. Seine Verdienste für Hitler wußte Papen selbst einzuschätzen: Die »Vorsehung« habe ihn dazu bestimmt, »Wesentliches zur Geburt der Regierung der nationalen Erhebung beizutragen«, sagte er einmal vor der von ihm protegierten Arbeitsgemeinschaft katholischer Deutscher. »Denn die Strukturelemente des Nationalsozialismus sind nicht nur der katholischen Lebensauffassung nicht wesensfremd, sondern sie entsprechen ihr in fast allen Beziehungen.«

S. 54

Das Bollwerk gegen den Bolschewismus war Papst Pius XII. offenbar die Zerstörung von 1700 Städten und 70000 Dörfern und die Ausrottung der europäischen Juden wert. Die »Verteidigung der Grundlagen der christlichen Kultur«, wie er den Angriff auf Rußland bezeichnete, machte über 25 Millionen Menschen obdachlos und kostete Millionen von Menschen das Leben. Zu Auschwitz, Treblinka und den anderen Vernichtungslagern schwieg der »Stellvertreter Christi«, sogar als die jüdische Gemeinde Roms gleichsam unter seinem Fenster zusammengetrieben wurde: Mehr als tausend römische Juden ließen die Faschisten am 18. Oktober 1943 ins Todeslager Auschwitz deportieren - zwei Drittel davon Frauen und Kinder. Nur 14 Männer und eine Frau überlebten.

Botschafter Ernst von Weizsäcker meldete damals nach Berlin: »Der Papst hat sich, obwohl dem Vernehmen nach von verschiedenen Seiten bestürmt, zu keiner demonstrativen Äußerung gegen den Abtransport der Juden aus Rom hinreißen lassen.«

Dafür war er entschieden gegen die Errichtung des Staates Israel und plädierte stets für einen internationalen Status Jerusalems und der heiligen Stätten Palästinas.

S. 59/60

Unter der Federführung von Kardinal Frings erging sechs Tage später, am 26. August, eine »Resolution der Fuldaer Bischofskonferenz an die amerikanische Militärregierung«. Darin wurde den Gerichtshöfen vorgeworfen, Deutsche »nach einem Recht, das bislang in Deutschland unbekannt war«, zu verurteilen. Eine abstruse Argumentation! Schließlich konnte es in Deutschland keine Rechtsprechung geben für Verbrechen, wie sie zuvor noch nie begangen worden waren; nämlich den vorsätzlich geplanten und staatlich organisierten Massenmord an Juden.

Am 14. September 1948 gab die US-Kommission ihren Bericht ab. Sie kam darin zu dem Ergebnis, daß die meisten Todesurteile vollstreckt werden sollten. Frings schickte daraufhin »im Interesse der Völkerverständigung« ein Protesttelegramm an den amerikanischen Militärgouverneur, General Lucius D. Clay. Schützenhilfe bekam der eifrige Kardinal aus Rom. Giovanni Battista Montini, Staatssekretär des Papstes, ließ den Kölner Kardinal wissen, Seine Heiligkeit habe ihn beauftragt, alles zu unternehmen, um das »Los« der zum Tod verurteilten Deutschen »wenn möglich abzuändern«. Montini, der spätere Papst Paul VI., intervenierte sogar selbst noch beim amerikanischen Präsidenten.

S. 74

Die Depesche an das State Department war »top secret«. Darin berichtete US-Agent Vincent La Vista, der Vatikan sei »die größte Einzelorganisation, die in die illegale Bewegung von Auswanderern verwickelt ist«. La Vista, Anwalt von Beruf, war zusammen mit mehreren Undercover-Agenten nach Rom geschickt worden, wo sie sich sofort an die Arbeit gemacht hatten. Am 15. Mai 1947 meldete La Vista nach Washington: »Es gibt große Gruppen von Nazi-Deutschen, die einzig zu dem Zweck nach Italien kommen, fiktive Identifikations-Dokumente zu bekommen, Pässe und Visa, um dann meist unmittelbar über Genua und Barcelona nach Lateinamerika weiterzureisen.«

Wie problemlos Rot-Kreuz-Pässe mit falschen Personalien zu beschaffen waren, wußte La Vista aus eigener Erfahrung. Er hatte zwei V-Leute begleitet, denen beim Komitee des Internationalen Roten Kreuzes (IRK) erklärt worden war, sie brauchten eine schriftliche Bestätigung ihrer Identität. Diese wiederum sei bei einem der katholischen Hilfskomitees zu bekommen. Dort würden die Monsignori, ohne viele Fragen zu stellen, die entsprechenden Dokumente ausstellen. Auf diese Weise kam auch Adolf Eichmann, Hauptorganisator der »Endlösung«, zu seinen Reiseunterlagen. Er konnte unter dem Tarnnamen Ricardo Klement nach Argentinien fliehen.

Neben Adolf Eichmann verhalfen die katholischen Priester einer ganzen Reihe von Nazi-Prominenten mit falschen Dokumenten zur Flucht:

Alois Brunner, Eichmanns Spezialist für Deportationen und verantwortlich für den Mord an 120 000 Juden. Reiseziel: Syrien.

Franz Stangl, KZ-Kommandant in Treblinka und wegen 700 000-fachen Mordes angeklagt, war aus dem Gefängnis in Linz ausgebrochen. Reiseziel: Brasilien.

Walter Rauff, »Erfinder« der fahrbaren Gaskammern, in denen über 180 000 Juden ermordet wurden. Reiseziel: Chile.

Josef Mengele, der berüchtigte Arzt des Konzentrationslagers Auschwitz, gesucht wegen hunderttausendfachen Mordes. Reiseziel: Chile.

Josef Schwammberger, als Lagerleiter in den polnischen Städten Rozwadow und Mielec sowie als Kommandant des Ghettos Przemysl verantwortlich für zahllose Morde. Reiseziel: Argentinien.

Die Visa stammten aus dem Vatikan. »Zunächst erscheint das unerklärlich«, meldete La Vista, »aber nähere Untersuchungen zeigen, daß der Vatikan einfach die Missionen lateinamerikanischer Länder, wo die Kirche traditionell großen Einfluß hat, dermaßen unter Druck setzte, bis sie frühere Nazis und Faschisten in ihr Land haben einreisen lassen - solange sie AntiKommunisten sind. Zur Zeit ist dies in Rom bei allen lateinamerikanischen Konsulaten und Missionen die gängige Praxis.«

[...]

Bevor sich die Nationalsozialisten nach Südamerika absetzen konnten, hatten sie in der Regel ein Problem zu lösen: Sie mußten erst einmal sicher über die Grenze nach Italien kommen. Auch dabei waren ihnen Priester behilflich. Entlang der wichtigsten Paßstraßen hatte man Schlupflöcher eingerichtet, weshalb diese Routen im Geheimdienstjargon »Rattenlinie« hießen. Und weil die zahlreichen Klöster sichere Verstecke boten, wurde die »Rattenlinie« auch »Klosterroute« genannt.

[...]

Zynisch genug, daß die katholische Kirche vielen Nationalsozialisten zur Flucht verhalf, während sie für die jüdischen Opfer im »Dritten Reich« nichts Nennenswertes unternommen hatte.

S.79-82